Erythrophobie (aus dem Griechischen erythros - rot), auch als Ereutophobie (aus dem Griechischen ereuthós - Rötung, Hitzegefühl) bekannt, oder bekannt unter dem englischen Wort "Blushing", ist definiert als die Angst vor dem Erröten, verursacht durch eine genetisch-konstitutionell bedingte erhöhte Emotionalität und die daraus resultierenden körperlichen Symptome.
Eng mit dem Erröten verbunden sind emotionale Faktoren im Zusammenhang mit der Angst, Fehler zu machen, gewisse Ziele nicht zu erreichen, das Gefühl einer Situation nicht gewachsen zu sein, und der Frustration, wenn eigene hochgesteckte Erwartungen nicht erfüllt werden. Das Erröten tritt vor allem in Gegenwart eines Vorgesetzten oder in einer Gruppensituation auf, bei der der Betroffene die Aufmerksamkeit auf sich gezogen fühlt. Es drängt sich zwanghaft der Gedanke auf, unkontrollierbar erröten zu können, der Situation nicht Herr zu sein, die Kontrolle zu verlieren, und binnen weniger Sekungen kommt es zu innerer Spannung, Herzrasen, einem unangenehmen 'Beklemmungsgefühl in der Brust und einer intensiven, ins Gesicht aufsteigenden Hitze.
Selbst ein kurzes Zögern im Redefluss oder sogar das Bewusstsein nicht entspannt zu wirken kann zu einem Konzentrationsverlust führen, beeinträchtigt die Leistungs- und Kommunikationsfähigkeit und nicht selten wird man durch die Verlegenheit überwältigt. Die Angst löst einen Teufelskreis aus, so dass es zu einem vollständigen Black-out kommen kann, verbunden mit Fluchtgedanken und dem Wunsch zu verschwinden oder im Boden zu versinken.
Dies kann zu einer Reihe von Folgen für den Betroffenen führen:
Es gibt verschiedene Methoden zur Linderung von Nervosität und dem Vorbeugen von Erröten, wie Auto-Suggestion, Yoga, Biofeedback, Atemtechniken und progressive Muskelentspannung, die alle eine Verringerung der inneren Spannung und damit verbundener unerwünschter körperlicher Reaktionen (besonders Herzrasen) anstreben und sekundär zu einer Verbesserung der Selbstachtung und des Selbstvertrauens führen sollten. Diese Techniken können in Gruppen oder allein, oder als Ergänzung zu einer Psychotherapie praktiziert werden. Die Ergebnisse sind von Mensch zu Mensch unterschiedlich: bei manchen funktionieren solche psychodynamische Methoden gut, bei anderen weniger oder überhaupt nicht. Ein Versuch ist jedoch immer empfehlenswert.
Ein Beratungsgespräch ist immer angezeigt. Für Erythrophobie wird meist die kognitive Verhaltenstherapie (CBT) oder Hypnose eingesetzt. Überexposition bzw. Desensibilisierungstechniken, potenziell wirksam für andere Formen von Phobie, können sich als zweischneidiges Schwert erweisen und die Anfälligkeit für Erröten sogar erhöhen bzw. die Erythrophobie verstärken. Grundsätzlich kann ein bereits seit Jahren etablierter vegetativer Errötungsreflex durch Psychotherapie in der Regel nicht beseitigt werden. Der/die Betroffene kann jedoch lernen, mit dieser Reaktion besser umzugehen. Angestrebt werden soll eine Erhöhung des Selbstwertgefühls und der Selbstsicherheit, und somit eine verbesserte Lebensqualität.
Folgende Arzneimittel werden häufig eingesetzt, um die körperlichen Symptome bzw. deren psychische Folgen, insbesondere der Angst, entgegen zu wirken:
Bereits in den 80er Jahren wurde bei Patienten, bei denen zwecks Behandlung einer Hyperhidrose eine Unterbrechung des sympathischen Grenzstrangs (obere Thoraxganglien) durchgeführt wurde, auch ein eventuell gleichzeitig vorhandenes Erröten ausgeschaltet wurde. In den 90er Jahren wurden diese Ergebnisse bestätigt, so dass die endoskopische transthorakale Sympathektomie zunehmend auch zur Behandlung der Erythrophobie eingesetzt wurde.
Heute stellt die Operation des Sympathikus eine wirksame Behandlungsmethode für Patienten mit invalidisierender Erythrophobie dar, bei denen durch nicht-chirurgische Maßnahmen keine ausreichende Kontrolle der Erkrankung erreicht wurde.
Die besten Ergebnisse erzielt man mit der Chirurgie bei der klassischen Form des sympathikogenen Errötens, d.h. (wie oben beschrieben) wenn das gesamte Gesicht plötzlich errötet, mit oder ohne begleitende Symptome der Überreizbarkeit des sympathischen Nervensystems. Die Wirksamkeit des Verfahrens kann leicht bei ein und demselben Patienten nachgewiesen werden, wenn die Operation sequenziell durchgeführt wird: zuerst auf einer Seite und in der Folge nach einigen Tagen oder Wochen, auf der anderen Seite (siehe Abbildung). Eine derartige Asymmetrie ("Harlekin-Phänomen") kann auch entstehen, wenn der Chirurg das Operationsniveau falsch einschätzt und die Klammer versehentlich auf einer Seite zu tief setzt (in der Regel passiert dies wegen der physiologischen Asymmetrie der Pleurahöhle auf der linken Seite). Gleichzeitig ist das Harlekin-Phänomen der deutlichste Beweis dafür, dass man mittels Unterbrechung des sympatischen Grenzstrangs das Erröten erfolgreich bekämpfen kann.
Bei flächenmäßig begrenzten Formen des Errötens im Gesicht ist die Operation erfahrungsgemäß nicht immer erfolgreich. Wichtigste Unterform des Errötens ist das sogenannte "Schmetterlingserythem", das durch intensive Rötung der Wangen und/oder Ohren gekennzeichnet ist, während die Stirn und typischerweise der Bereich rund um den Mund blass bleiben. Die Ergebnisse des chirurgischen Eingriffs am Sympathikus sind nicht vorhersehbar (gute Wirkung nur in etwa 50% der Fälle), weswegen die Operation bei dieser Art des Errötens nicht zu empfehlen ist.
Ein langsames allmähliches Rotwerden als Reaktion auf körperliche Arbeit oder Sport bzw. nach längerer Einwirkung von Wärme wird durch die Operation nur teilweise beeinflusst, was für eine untergeordnete Rolle des sympathischen Nervensystems in diesen Fällen spricht. Allerdings wird von Patienten nach einer Sympathikusblockade oft berichtet, dass auch dieses langsame Rotwerden abgenommen hat, wenn dies auch nicht der primäre Anlass für die Operation war.
Die Operation wird unter Vollnarkose durchgeführt und zielt auf die Unterbrechung des sympathischen Grenzstrangs zwischen den Ganglien Th1 und Th2 ab, um den Hauptstrom der nervösen Impulse zu den Gefäßen des Gesichts zu unterbinden, ohne andere Funktionen zu stören (zB die Bewegung der Augenlider). Diese Ganglien befinden sich im obersten Teil der Brusthöhle in unmittelbarer Nähe der Wirbelsäule. Heutzutage bevorzugen wir, den Nerv mit einer kleinen Klammer aus Titan zu komprimieren (ESB - Endoskopische Blockade des sympathischen Grenzstrangs) statt einer irreversiblen Durchtrennung (ETS - Endoskopische transthorakale Sympathektomie). Die Vorgehensweise ist identisch mit der Operation für die Behandlung von Gesichtsschweiß, unterscheidet sich aber von der Operation für Handschweiß.
Eine derartige operative Unterbrechung des sympathischen Grenzstrangs hat meist eine sofortige Wirkung auf das Erröten bzw. die damit verbundenen Angstzustände, und im weiteren Verlauf auf die Erwartungsangst (Erythrophobie). Viele Patienten fühlen sich plötzlich von dem über Jahre still ertragenen, lähmenden und oftmals unterschätzten Leiden befreit. Verschiedenen Studien zufolge liegt die Erfolgsquote in Zentren mit großer Erfahrung in der chirurgischen Behandlung der Erythrophobie bei 90-95%. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass das Verfahren in einigen Fällen (<3%) unwirksam sein kann und in anderen die Gefahr eines partiellen oder vollständigen Rückfalls besteht (ca. 5-10% innerhalb der ersten 3 Jahre nach der Operation). Dies führt zu einer Heilungsrate von über 85%, unter der Voraussetzung einer sorgfältigen Auswahl der Kandidaten für diese Behandlung durch einen Arzt, der nicht nur die einschlägige chirurgische Technik beherrscht, sondern auch über eine profunde Kenntnis der Erkrankung und der zu erwartenden Langzeitergebnisse der Behandlung verfügt.
Die negativen Aspekte der chirurgischen Behandlung werden durch eine Vielzahl von Nebenwirkungen, die in der postoperativen Phase kurz-oder längerfristig auftreten können (siehe auch die dem operativen Verfahren gewidmeten Seiten:ETS/ESB):
Zusammenfassend handelt es sich um ein in den Händen eines erfahrenen Chirurgen sicheres Verfahren mit relativ hoher Erfolgsquote bei schweren Formen des Errötens und der damit verbundenen Sozialphobie. Das vegetative Nervensystem ist jedoch dynamisch und neigt zeitlebens dazu, sich an wechselne Umweltbedingungen bzw. Zustände im Organismus anzupassen. Deshalb kann es nach Blockade eines Reflexes unterschiedlich von Mensch zu Mensch reagieren. Die daraus resultierenden Nebenwirkungen können daher im Detail nicht vorhergesagt werden, und obwohl sie bei den meisten Patienten in relativ milder Form oder gar nicht auftreten, kommt es bei einer kleinen Gruppe zu schwereren Nebenwirkungen. Eine Operation sollte daher nur in sorgfältig ausgewählten Fällen ins Auge gefasst werden, bei denen nicht-invasive Verfahren versagt haben bzw. bei denen die Erythrophobie die psychosoziale Situation und die Lebensqualität derart beeinträchtigt, dass dadurch eventuell zu erwartende Nebenwirkungen gerechtfertigt erscheinen. Es sollte auch immer im Auge behalten werden, dass der Eingriff unter Umständen in Einzelfällen auch primär unwirksam sein kann, und dass, auf lange Sicht, 10-15% der Patienten mit dem Ergebnis der Operation nicht zufrieden sind. Auf jeden Fall bevorzugt der Autor die Verwendung einer potentiell reversiblen Operationstechnik (ESB), anstelle mehr destruktiver Methoden (Durchtrennung, Koagulation, Entfernung von Ganglien).